Abzugsfähigkeit von Gutachterkosten
Gutachterkosten für den Nachweis eines niedrigeren Verkehrswertes i.R.d. Feststellung des Grundbesitzwertes als Nachlassverbindlichkeiten?
FG Nürnberg v. 22.3.2012 – 4 K 1692/11, Rev. eingelegt, Az. d. BFH: II R 20/12
Das Problem: Ein Neffe erbte von seinem Onkel u.a. ein Einfamilienhaus. Er hatte beantragt, als Wert für die Erbschaftsbesteuerung den durch Gutachten nachgewiesenen Verkehrswert festzustellen. Die Gutachterkosten von ca. 2.595 € machte er als Nachlassverbindlichkeiten geltend. Das FA erkannte den Abzug nicht an.
Die Lösung des Gerichts: Nicht abzugsfähig: Die Kosten für die Erstellung eines Verkehrswertgutachtens zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts i.R.d. Feststellungsverfahrens für den Grundbesitzwert sind bei der Besteuerung der Erbschaft nicht als Nachlasskosten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG erwerbsmindernd zu berücksichtigen.
Konsequenzen für die Praxis: Revision eingelegt: Die in einer Erbschaftsteuererklärung (Zeilen 98 ff.) als Nachlasskosten angesetzten Gutachterkosten werden regelmäßig nicht anerkannt. Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt (Az. d. BFH: II R 20/12). In Hinblick darauf könnte ein entspr. Erbschaftsteuerbescheid durch Einspruch angefochten und so bis zum Abschuss des Revisionsverfahrens offengehalten werden.
Beraterhinweis: Bei den Nachlassverbindlichkeiten ist zwischen Erblasserverbindlichkeiten und Erbfallverbindlichkeiten zu unterscheiden. Hätte z.B. der Erblasser ein Verkehrswertgutachten in Auftrag gegeben und wäre das Honorar für das Gutachten zum Besteuerungszeitpunkt noch nicht bezahlt, läge eine abziehbare Erblasserverbindlichkeit vor (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG). Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen, sind gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abzugsfähig, soweit sich nicht aus den Absätzen 6 bis 9 der Vorschrift etwas anderes ergibt. Darunter fallen auch Kosten der Erstellung der Erbschaftsteuererklärung oder der Erklärung zur gesonderten Feststellung (Steuerberater-/Rechtsanwaltskosten u. dgl.). Nicht darunter sollen Gutachterkosten fallen, die einem Erwerber im Zusammenhang mit einer Bedarfswertfeststellung entstehen.
Allerdings ist dies nicht ganz überzeugend: In der Feststellungserklärung ist ein bestimmter gemeiner Wert nach § 198 BewG zu beantragen. Ohne Gutachten wird der Wert nicht anerkannt, daher ist das Gutachten m.E. zwangsläufig Teil der Feststellungserklärung, die Gutachtenkosten damit Erklärungskosten. Aus welchem Grund sollten dabei Gutachterkosten anders als Rechtsberatungskosten nicht abzugsfähig sein? Wie wäre denn der Fall zu beurteilen, wenn der Steuerberater das Gutachten in Auftrag geben und die Kosten i.R.d. Steuerberaterrechnung abrechnen würde?
Im Übrigen gilt eine differenzierende Betrachtung:
- Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft: Aufwendungen für die durch einen Sachverständigen vorgenommene Bewertung von Nachlassgegenständen i.R.d. Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft sind als Kosten der Verteilung des Nachlasses erwerbsmindernd zu berücksichtigen (BFH v. 9.12.2009 – II R 37/08, BStBl. II 2010, 489 = ErbStB 2010, 161 m. Komm. Steiner); ebenso fallen darunter Wertermittlungen für Zwecke der Ermittlung von Pflichtteilsansprüchen, Zu-gewinnausgleichsansprüchen. Dient die Erstellung des Sachverständigengutachtens darüber hinaus auch der Abgabe der Erbschaftsteuererklärung, ändert nach den Ausführungen des BFH diese weitere Zwecksetzung nichts am unmittelbaren Zusammenhang der Kosten mit der Verteilung des Nachlasses.
- Kosten der Erstellung der Erbschaftsteuererklärung oder der Erklärung zur gesonderten Feststellung nach § 157 i.V.m. § 151 BewG (Steuerberater-/Rechtsanwaltskosten u. dgl.) zählen zu den nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abziehbaren Kosten (ebenso H E 10.7 ErbStH 2011).
- Rechtsverfolgungskosten, welche ein Erwerber zur Abwehr der von ihm zu entrichtenden eigenen Erbschaftsteuer aufwendet sowie solche die mit gesonderten Feststellungen der Grundbesitzwerte des zum Nachlass gehörenden Grundvermögens zusammenhängen, sind nicht als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen, da auch die vom Erwerber zu entrichtende eigene Erbschaftsteuer gem. § 10 Abs. 8 ErbStG nicht als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig ist (BFH v. 20.6.2007 – II R 29/06, BStBl. II 2007, 722 = ErbStB 2007, 294 m. Komm. Wefers; BFH v. 1.7.2008 – II R 71/06, BStBl. II 2008, 874 = ErbStB 2008, 322 m. Komm. Heinrichshofen).
- Kosten für die Verwaltung und Verwertung des Nachlasses sind grundsätzlich nicht abzugsfähig (Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 10 ErbStG Rz. 217).
- Die vom Erwerber zu entrichtende eigene Erbschaftsteuer ist gem. § 10 Abs. 8 ErbStG nicht abzugsfähig.
Gleichlautende Ländererlasse: Im Übrigen ist die Auffassung der Finanzverwaltung in den gleichlautenden Ländererlassen zur Behandlung von Erwerbsnebenkosten und Steuerberatungskosten sowie Rechtsberatungskosten im Zusammenhang mit einer Schenkung (gleichlautende Ländererlasse v. 16.3.2012 – S 3810, BStBl. I 2012, 338 = ErbStB 2012, 175 m. Komm. Kirschstein) verbindlich festgelegt.
RA Raymond Halaczinsky, Bonn
Service: BFH v. 20.6.2007 – II R 29/06, BStBl. II 2007, 722 = ErbStB 2007, 294 m. Komm. Wefers; BFH v. 1.7.2008 – II R 71/06, BStBl. II 2008, 874 = ErbStB 2008, 322 m. Komm. Heinrichshofen; BFH v. 9.12.2009 – II R 37/08, BStBl. II 2010, 489 = ErbStB 2010, 161 m. Komm. Steiner; FG Nürnberg v. 22.3.2012 – 4 K 1692/11; gleichlautende Ländererlasse v. 16.3.2012 – S 3810, BStBl. I 2012, 338 = ErbStB 2012, 175 m. Komm. Kirschstein; Steiner, Beratungs-, Vertretungs- und Sachverständigenkosten, ErbStB 2010, 104 abrufbar unter http://www.steuerberater-center.de/