Otto Schmidt Verlag


Werbungskostenabzug: Abgeltungszahlungen für ein dingliches Wohnrecht

Wird die mit einem dinglichen Wohnrecht belastete Wohnung vom Steuerpflichtigen vermietet und werden dafür aufgrund einer schuldrechtlichen Vereinbarung die Mietkosten für eine andere Wohnung des weiterhin dinglich Nutzungsberechtigten vom Steuerpflichtigen übernommen, stellen die Mietzahlungen Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dar.

BFH v. 11.12.2012 – IX R 28/12

Das Problem: Streitig war, ob die Zahlung, die ein Sohn an seine Mutter zur Abgeltung eines dinglichen Wohnrechts gezahlt hat, als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus VuV zu berücksichtigen sind.

Die Eltern des Klägers übertrugen ihrem Sohn, dem Kläger, im Jahr 1983 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ein Zweifamilienhaus. Sie behielten sich ein dingliches Wohnrecht vor, das im Grundbuch eingetragen war. Nach dem Tode des Vaters entschloss sich die Mutter, aus Krankheits- und Altersgründen zum 15.1.2001 in eine altersgerechte kleine Wohnung umzuziehen. Am 6.12.2000 schloss der Kläger einen Mietvertrag über das Anwesen zum 1.4.2002. Die monatliche Nettokaltmiete betrug 2.600 €. Bis zur Neuvermietung wurde das Anwesen für 463.000 € saniert. Der Kläger vereinbarte mit seiner Mutter zunächst mündlich, dass er ihr zur finanziellen Abgeltung des Wohnrechts die Miete zahlen würde. Den maßgeblichen Betrag i.H.v. jährlich 6.136 € überwies er seiner Mutter anteilig monatlich. Die Vereinbarung wurde im April 2005 auch schriftlich fixiert.

Der Kläger erzielte in 2001 einen negativen Überschuss aus dem Anwesen i.H.v. 3.927 DM, in 2002 einen positiven Überschuss i.H.v. 9.950 € und in 2003 i.H.v. 21.134 €.

Das FA versagte den Abzug der streitigen Zahlungen als Werbungskosten mit dem Argument, zwischen dem Kläger und seiner Mutter sei kein Versorgungsvertrag zustande gekommen, sodass die Ablösung nicht berücksichtigungsfähig sei. Außerdem seien die Vereinbarungen formunwirksam. Schließlich hielten sie einem Fremdvergleich nicht stand. Die Zahlungen seien daher als Unterhaltsleistungen i.S.v. § 12 EStG zu beurteilen. Nachdem der Einspruch nicht bearbeitet wurde, erhob der Kläger nach mehr als vier Jahren Untätigkeitsklage. Das Hessische FG (FG Hessen v. 19.4.2012 – 13 K 698/09) gab der Klage statt. Es vernahm u.a. die Mutter des Klägers.

Die Lösung des Gerichts: Die Revision des FA war erfolglos und der BFH entschied in kürzester Zeit, knapp und überzeugend:

  • Werbungskostenbegriff: In einem ersten Schritt erläuterte der BFH dem FA den Werbungskostenbegriff.
  •  Fremdvergleich: In einem zweiten Schritt begründet der BFH, weshalb die schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den Beteiligten auch einem Fremdvergleich genügt. Letzterer ist an der Gesamtheit der Umstände zu messen. Der BFH konnte insb. in revisionsrechtlicher Hinsicht keine Fehler des FG an dessen Feststellungen erkennen, wonach der Kläger die Miete für die von seiner Mutter angemietete Wohnung als Gegenleistung für ihren Auszug und den damit verbundenen dauerhaften Verzicht auf das Ausüben ihres dinglichen Wohnrechts übernommen hatte und, dass die getroffene Vereinbarung einem Fremdvergleich standhielt. Die Abrede bestand tatsächlich und wurde wie vereinbart durchgeführt.

Konsequenzen für die Praxis: Die Entscheidung ist für die Praxis von erheblicher Bedeutung, da sie zutreffend und nachlesbar die Finanzverwaltung in ihre Schranken weist. Bereits das FG hatte sämtliche vom FA vorgetragenen „Totschlagsargumente“, wie Formunwirksamkeit, Fremdvergleich und Gestaltungsmissbrauch ausführlich und souverän widerlegt. Dennoch meinte das FA Revision erheben zu müssen. Dies ist in keiner Weise wirklich nachvollziehbar. Dem Fiskus entsteht in diesen Sachverhalten kein Schaden, sondern ihm werden vielmehr zusätzliche Einnahmen generiert, denn solange die ältere Generation noch in dem Anwesen lebt, ist das Objekt einkunftsirrelevant. Bei einem Auszug des Wohnungsberechtigten und Ausgestaltung des Sachverhalts wie im Streitfall erzielt die Nachfolgegeneration positive Einkünfte aus VuV. Im Streitfall unterlagen diese sogar dem Spitzensteuersatz. Damit liegt eine sog. „win-win-Situation“ vor, mit der sich eine Seite, hier der Fiskus, allerdings nicht zufrieden gab. Leider ein Spiegelbild unserer heutigen Gesellschaft und augenscheinlich eine Entwicklung, die vor niemandem halt macht.

Der Vorgang ist ein typischer Sachverhalt einer Vermögensübergabe: Die Eltern entledigen sich ihres Vermögens und behalten sich ein dingliches Nutzungsrecht vor. In der überwiegenden Zahl ist dies ein Nießbrauch (§§ 1030 ff. BGB). Im Streitfall war es nun ein dingliches Wohnungsrecht (§ 1093 BGB). Aufgrund von Krankheit oder Alter können die Eltern ab einem gewissen Zeitpunkt das Anwesen nicht mehr selbst bewohnen und müssen in eine altersgerechte Wohnung oder ein Alten- bzw. Pflegeheim umziehen.

Wird das dingliche Wohnrecht dann abgelöst und geht unter, handelt es sich bei der Einmalzahlung der Nachfolgegeneration um Anschaffungskosten auf das Grundstück. Bei Vermietung des Grundstücks sind die Aufwendungen, die auf das Gebäude entfallen, über die AfA als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Bleibt das dingliche Nutzungsrecht aber – wie vorliegend – bestehen, was für die Eltern aus Gründen der Absicherung sinnvoll und empfehlenswert ist, können die Beteiligten eine schuldrechtliche Vereinbarung darüber treffen, das Wohnungsrecht nicht mehr auszuüben. Die dann von der Nachfolgegeneration übernommenen laufenden Aufwendungen stellen sofort abziehbare Werbungskosten dar. Denn eine einkunftsrelevante Veranlassung im Bereich der Einkünfte aus VuV liegt nach der ständigen Rspr. vor, wenn

  •  (objektiv) ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der auf Vermietung und Verpachtung gerichteten Tätigkeit besteht und
  • (subjektiv) die Aufwendungen zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden.

Beraterhinweis: Sofern Sie die Nachfolgegeneration beraten und es um die „Ablöse“ eines Wohnungsrechts geht, müssen Sie Ihrem Mandanten die unterschiedlichen Möglichkeiten aufzeigen: Einerseits den Wegfall des dinglichen Wohnungsrechts durch Ablösung und Löschung und andererseits den Abschluss einer schuldrechtlichen Vereinbarung, das Recht nicht mehr auszuüben und damit den Fortbestand des dinglichen Rechts. Ersteres führt nach h.M. zu nachträglichen Anschaffungskosten, zweiteres zu sofort abziehbaren Werbungkosten. Um – anders als vorliegend – die Gefahr zu verringern, vom Fiskus in einen Gerichtsstreit hineingezogen zu werden, sollten Sie weiterhin in der Gestaltungsberatung klare und nachweisbare, d.h. schriftliche, Vereinbarungen treffen und diese auch durchführen.

Wenn das Anwesen hingegen verkauft werden soll, besteht nur die Möglichkeit der Löschung des Rechts. Vorsicht: Erfolgt der Verzicht/die Ablösung unentgeltlich, liegt insoweit eine freigebige Zuwendung i.S.v. § 7 Abs. 1 ErbStG vor. Sofern die frühere Übertragung des Eigentums noch unter Geltung des § 25 ErbStG erfolgte, wird eine Doppelerfassung der Nichtberücksichtigung des dinglichen Rechts durch den Abzug des bei der Übertragung tatsächlich unberücksichtigt gebliebenen Teils beseitigt (BFH v. 17.3.2004 – II R 3/01, FR 2004, 603 m. Anm. Viskorf = ErbStB 2004, 176 m. Komm. Kussmann). Durch den Wegfall des § 25 ErbStG hat sich dies aber geändert, so dass keine Abzugsmöglichkeit besteht und damit der bloße Verzicht eine höhere Bemessungsgrundlage bei der Schenkungsteuer als früher auslöst. Erfolgen die Übertragung und der Verzicht innerhalb eines Zehn-Jahres-Zeitraums, sind beide Vorgänge wegen § 14 ErbStG zusammenzurechnen.

StB/RA/FASt, Dipl.-Finw.StefanHeinrichshofen, Peters, Schönberger & Partner, München

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 11.06.2013 11:52

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