Otto Schmidt Verlag


Vermögensübertragung bei vorweggenommener Erbfolge

Werden wiederkehrende Leistungen in sachlichem Zusammenhang mit der Übertragung von Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zugesagt (private Versorgungsrente), stellen diese weder Veräußerungsentgelt des Übergebers noch Anschaffungskosten des Übernehmers dar, sondern sind spezialgesetzlich den Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG) und den wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) zugeordnet.

FG Rheinland-Pfalz v. 15.1.2014 – 1 K 1756/13, Rev. zugelassen

Das Problem: Dauernde Last oder Ertragsanteil?: Streitig ist, ob der Kläger Zahlungen, zu denen er sich im notariellen Vertrag v. 22.12.2005 im Zusammenhang mit der Übernahme des elterlichen landwirtschaftlichen Betriebes verpflichtet hat, in voller Höhe als dauernde Last oder nur mit dem Ertragsanteil als Rente nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG als Sonderausgabe abziehen kann. Mit notariellem Vertrag hat der Kläger den elterlichen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft übernommen. Im Vertrag verpflichtet er sich, seinen Eltern lebenslänglich als „dauernde Last“ monatlich einen Betrag i.H.v. 2.500 € zu zahlen.

Keine Anpassung aufgrund von Pflegebedürftigkeit: Weiterhin heißt es im Vertrag: „Sofern durch eine Än-derung der wirtschaftlichen Verhältnisse der standesgemäße Unterhalt der Zahlungsverpflichteten oder der Berechtigten nicht mehr gewährleistet ist, kann jeder Beteiligte, also auch der Eigentümer als auch die Berechtigten, Abänderungen in entspr. Anwendung des § 323 ZPO verlangen. Eine Änderung darf jedoch nicht aus dem Mehrbedarf der Berechtigten abgeleitet werden, der sich infolge ihrer dauernden Pflegebedürftigkeit oder durch ihre Aufnahme in ein Alten- oder Pflegeheim ergibt.

FA berücksichtigt nur Ertragsanteil: Im dem Verfahren zu Grunde liegenden Einkommensteuerbescheid des Klägers wurden die Zahlungen an die Eltern nur mit dem Ertragsanteil von 18 % als Sonderausgabe zum Abzug zugelassen. Den Einspruch gegen diese Festsetzung lehnte das beklagte FA ab.

Zur Begründung führte das FA aus, dass im Streitfall die streitigen Versorgungsleistungen auf einem Übergabevertrag v. 22.12.2005 beruhen würden, so dass für die steuerliche Beurteilung § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG a.F. anzuwenden sei. Die von dem Kläger ggü. seinen Eltern eingegangene Verpflichtung zur wiederkehrenden Versorgungsleistung sei als Leibrente und nicht als dauernde Last nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG zu beurteilen.

Pflegebedürftigkeit als gewichtiger Anpassungsgrund …: Die Möglichkeit einer wesentlichen Abänderung der Versorgungsleistungen auf Grund veränderter Lebensbedürfnisse ergebe sich insb., wenn Pflegebedürftigkeit der Berechtigten eintrete und/oder eine Heimunterbringung des Berechtigten erforderlich werde. Deshalb würden Pflegeleistungen bei einem Altenteilsvertrag von der Rechtsnatur dieses Vertragstypus erfasst und seien auch Grundlage für eine vertragsgemäße Anpassung/Erhöhung der Versorgungsleistungen bei entspr. Bedarf des Berechtigten.

…wurde vertraglich ausgeschlossen: Im vorliegenden Fall hätten die Vertragsparteien jedoch die auf Grund einer Pflegesituation eintretenden veränderten Lebensumstände als mögliche Gründe für eine Anpassung der vereinbarten Versorgungsleistungen ausdrücklich vertraglich ausgeschlossen.

Hinweis auf § 323 ZPO bedeutungslos: Der in dem Vertrag enthaltene Hinweis auf § 323 ZPO sei daher nur formeller Natur, denn durch die Vereinbarung zum Ausschluss eines Mehrbedarfes bei Pflegebedürftigkeit und/oder Heimunterbringung werde der Wirkungskreis der nach § 323 ZPO formell gegebenen Änderungsmöglichkeit derart eingeschränkt, dass die Regelung materiell-rechtlich bedeutungslos geworden sei. Hieraus folge, dass die vereinbarten Versorgungsleistungen nur mit dem Ertragsanteil berücksichtigt werden könnten.

Die Lösung des Gerichts: Die Klage ist begründet. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG seien Sonderausgaben die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben.

Sonderausgaben statt Anschaffungskosten: Würden wiederkehrende Leistungen in sachlichem Zusammenhang mit der Übertragung von Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zugesagt (private Versorgungsrente), stellen diese nach Auffassung des FG weder Veräußerungsentgelt des Übergebers noch Anschaffungskosten des Übernehmers dar, sondern sind spezialgesetzlich den Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG) und den wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) zuzuordnen (grundlegend Beschl. des Großen Senates des BFH v. 5.7.1990 – GrS 4-6/89, BStBl. II 1990, 847 sowie BFH v. 27.8.1997 – X R 54/94, BStBl. II 1997, 813).

Voraussetzung für die Anwendung der Grundsätze über die steuerlich privilegierte private Versorgungsrente sei, dass eine Ertrag bringende Wirtschaftseinheit, die schon bisher vom Übergeber bewirtschaftet war und durch ihre Erträge ganz oder teilweise dessen Existenz sicherte, zur Weiterführung durch den Übernehmer überlassen wird (ausführlich BFH v. 14.2.1996 – X R 106/91, BStBl. II 1996, 687 und BFH v. 24.7.1996 – X R 167/95, BStBl. II 1997, 315).

Anpassungsmöglichkeit gegeben: Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze des BFH ist nach Auffassung des FG im vorliegenden Fall von einer dauernden Last auszugehen. Der Kläger habe sich verpflichtet, seinen Eltern monatlich 2.500 € für die Übertragung des Weinbaubetriebes zu zahlen. Sofern durch eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse der standesgemäße Unterhalt des Zahlungsverpflichteten oder der Berechtigten nicht mehr gewährleistet ist, könne jeder Beteiligte, also sowohl der Eigentümer als auch die Berechtigten, Abänderung in entspr. Anwendung des § 323 ZPO verlangen.

Ausschluss der Übernahme der Pflegekosten unerheblich: In dem Vertrag sei auf § 323 ZPO Bezug genommen worden, es sei lediglich ausgenommen worden, dass bei dauernder Pflegebedürftigkeit oder durch Aufnahme in ein Alten- oder Pflegeheim sich ein Mehrbedarf nicht ergibt. Die Abänderbarkeit sei in zivilrechtlicher Hinsicht bezogen auf die Versorgungsbedürftigkeit des Empfängers und die aus dem übertragenen Wirtschaftsgut resultierende Leistungsfähigkeit des Verpflichteten. Diese bestimmten den Korridor, innerhalb dessen die Beteiligten auf eine Änderung des Bedarfs des Berechtigten und/oder der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten reagieren können.

Konsequenzen für die Praxis: Verweis auf § 323 ZPO ausreichend: Der erkennende Senat geht aufgrund der Rechtsprechung des BFH davon aus, dass für eine steuerrechtlich zu beachtende Änderungsklausel der Vorbehalt der Rechte aus § 323 ZPO genügt, weil die Abänderbarkeit der dauernden Last in zivilrechtlicher Hinsicht hiermit bezogen sei auf die Versorgungs-bedürftigkeit des Empfängers und die sich aus dem übertragenen Grundstück ergebende Leistungsfähigkeit des Verpflichteten.

Beraterhinweis: Revision zugelassen: Die Revision wurde vom FG nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen, da in dem Beschl. des BFH v. 9.5.2007 – X B 162/06, BFH/NV 2007, 1501 der Leitsatz lautet, dass wiederkehrende Leistungen auch dann als Leibrente anzusehen sind, wenn die Abänderbarkeit bei wesentlich veränderten Lebensbedürfnissen (Heimunterbringung, Pflegebedürftigkeit) ausgeschlossen wird. Der dem Beschluss zu Grunde liegende Sachverhalt sei nicht bekannt. Im Urteil des BFH v. 13.12.2005 – X R 61/01, BStBl. II 2008, 16, ErbStB 2006, 115 m. Komm. Heinrichshofen, hingegen führe der BFH aus, dass für eine steuerrechtlich zu beachtende Änderungsklausel der Vorbehalt der Rechte aus § 323 ZPO genügt.

Dipl.-Finw. Mathias Grootens, Werne

Service: BFH v. 9.5.2007 – X B 162/06; BFH v. 13.12.2005 – X R 61/01, ErbStB 2006, 115; BFH v. 27.8.1997 – X R 54/94; BFH v. 24.7.1996 – X R 167/95; BFH v. 14.2.1996 – X R 106/91; FG Rheinland-Pfalz v. 15.1.2014 – 1 K 1756/13 abrufbar unter www.steuerberater-center.de

 

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.05.2014 08:56

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