Vorzeitiger unentgeltlicher Verzicht auf ein vorbehaltenes Nießbrauchsrecht
Der vorzeitige unentgeltliche Verzicht auf ein vorbehaltenes Nießbrauchsrecht erfüllt als Rechtsverzicht den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. § 25 Abs. 1 ErbStG a.F. steht dem nicht entgegen. Eine Doppelerfassung des Nießbrauchsrechts – sowohl bei der Nichtberücksichtigung als Abzugsposten nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. oder nach § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG a.F. als auch beim späteren Verzicht des Berechtigten – ist bei der Besteuerung des Nießbrauchsverzichts durch den Abzug des bei der Besteuerung des Erwerbs des nießbrauchsbelasteten Gegenstandes tatsächlich unberücksichtigt gebliebenen (Steuer-)Werts des Nutzungsrechts von der Bemessungsgrundlage (Steuerwert) für den Rechtsverzicht zu beseitigen.
BFH v. 20.5.2014 – II R 7/13
Problem: K schenkte seinem Sohn (S) einen Gesellschaftsanteil an einer GmbH und behielt sich den Nießbrauch an diesem vor. Das FA berücksichtigte bei der Festsetzung der Schenkungsteuer antragsgemäß die Steuervergünstigungen nach § 13a ErbStG a.F., sodass ein vom Anteilswert der Besteuerung zugrunde zu legender Betrag verblieb. Den vorbehaltenen Nießbrauch berücksichtigte das FA bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs nicht, und zwar gem. § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG a.F. nicht i.H.d. Vergünstigung nach § 13a ErbStG a.F., i.Ü. nicht aufgrund des in § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. geregelten Abzugsverbots. Der nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. nicht abgezogene Betrag führte lediglich zu der in dieser Vorschrift vorgesehenen Stundung der Schenkungsteuer. Mit Wirkung zum 1.1.2008 verzichtete K ggü. S unentgeltlich auf das ihm zustehende Nießbrauchsrecht und übernahm die dadurch ausgelöste Schenkungsteuer.
Lösung des Gerichts: Bemessungsgrundlage für den Rechtsverzicht: Der BFH entschied, dass der Anteil am Wert des Nießbrauchs, der bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für den Anteilserwerb nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. nicht von der Bemessungsgrundlage der Steuer abgezogen wurde, nicht in die Bemessungsgrundlage der Steuer für den Nießbrauchsverzicht einzubeziehen sei. Der Anteil am Wert des Nießbrauchs, der bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für den Anteilserwerb nach § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG a.F. nicht von der Bemessungsgrundlage der Steuer abgezogen wurde, sei ebenfalls nicht in die Bemessungsgrundlage der Steuer für den Nießbrauchsverzicht einzubeziehen.
Konsequenzen für die Praxis: Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG in der bis zu 31.12.2008 geltenden Fassung wurde der Erwerb von Vermögen, das mit einem sog. Nießbrauchsrecht belastet war, ohne Berücksichtigung dieser Belastungen besteuert. Die Steuer, die auf den Kapitalwert dieser Belastungen entfällt, war lediglich bis zu deren Erlöschen zinslos zu stunden.
Der Verzicht auf einen Nießbrauch ist eine freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Dass bei der Besteuerung des Anteilserwerbs der Wert des Nießbrauchs nicht von der Bemessungsgrundlage der Steuer abgezogen worden war, steht dem nicht entgegen.
Doppelerfassung des Nießbrauchsrechts: Eine als Folge des Abzugsverbots nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG mögliche zweimalige steuerliche Erfassung des Nießbrauchs sowohl bei der Nichtberücksichtigung als Abzugsposten als auch beim späteren Verzicht, widerspräche dem in § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG verankerten Bereicherungsprinzip. Eine Doppelerfassung des Nießbrauchsrechts als Folge des Abzugsverbots muss deshalb bei der Besteuerung des späteren Nießbrauchsverzichts durch den Abzug des bei der Besteuerung des nießbrauchsbelasteten Gegenstandes tatsächlich unberücksichtigt gebliebenen (Steuer-)Werts des Nutzungsrechts von der Bemessungsgrundlage (Steuerwert) für den Rechtsverzicht beseitigt werden. Der Anteil am Wert des Nießbrauchs, der bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für den Anteilserwerb nach § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG a.F. nicht von der Bemessungsgrundlage der Steuer abgezogen wurde, ist ebenfalls nicht in die Bemessungsgrundlage der Steuer für den Nießbrauchsverzicht einzubeziehen. Das Recht, den Nießbrauchsverzicht zu besteuern, ist hinsichtlich dieses Teilbetrags durch den Nichtabzug bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für den Anteilserwerb ebenso verbraucht wie hinsichtlich des Teilbetrags, der dabei nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. nicht abgezogen wurde.
Beraterhinweis: Bekanntermaßen ist § 25 ErbStG durch das ErbStRG (v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018) aufgehoben. Lediglich in Erbfällen, die vor dem 1.1.2009 eingetreten sind, und für Schenkungen, die vor diesem Zeitpunkt ausgeführt worden sind, ist weiterhin § 25 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 ErbStG a. F. anzuwenden, es sei denn der Erwerber hat einen Antrag auf rückwirkende Anwendung des ab 1.1.2009 geltenden Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts nach Art. 3 ErbStRG gestellt. Die „Altfälle“, bei denen § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. zur Anwendung kam, dürften mittlerweile auch sämtlich bestandskräftig veranlagt sein. Wie diesen „Altfällen“ eine Doppelerfassung des Nießbrauchsrechts vermieden wird, zeigt die Besprechungsentscheidung. In dieser gingen die Steuerpflichtigen schon einmal davon aus, dass der Verzicht auf den Nießbrauch tatsächlich eine freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG darstellt. Auch hatte der Verzichtende als Schenker die Steuer übernommen, um so von den Vorteilen dieser Gestaltung nach § 10 Abs. 2 ErbStG Gebrauch zu machen. Bis dahin also alles richtig gemacht.
In der Praxis wird aber immer wieder ohne Bedacht auf bestehende Nießbrauchsrechte verzichtet: Dass das FA dann Schenkungsteuer festsetzt, kommt für die Betroffenen überraschend. Ob der Verzicht in Kenntnis dieser Steuerfolge überhaupt erklärt worden wäre, dürfte in einigen Fällen fraglich sein. Für eine steuergünstige Übernahme der Steuer durch den Schenker nach § 10 Abs. 2 ErbStG ist es dann jedoch regelmäßig zu spät. Denn diese Erklärung muss mit der Schenkung und nicht erst später erklärt werden. Ansonsten erfolgt die Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG.
RA/FASt/FAAR/FAStrafR Prof. Dr. Manzur Esskandari/RAin/FASt/FAStrafR Daniela Bick, LL.M. (Taxation), Prof. Dr. Esskandari + Kollegen, www.esskandari.de
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