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FG München v. 14.3.2024, 10 K 508/22

Abzweigung von Kindergeld analog

Eine Abzweigung des Kindergeldes an das Kind erfolgt auch dann analog § 74 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 3 EStG, wenn der Kindergeldberechtigte keinen Unterhalt leistet, weil er dazu mangels Bedürftigkeit des Kindes zivilrechtlich nicht verpflichtet ist. Weil die Frage, ob eine Abzweigung bei fehlender Bedürftigkeit des Kindes in Betracht kommt, höchstrichterlich noch nicht entschieden ist und die Frage auch in der Finanzgerichtsbarkeit uneinheitlich beantwortet wird, wurde die Revision zugelassen.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin erhielt für ihre drei Kinder, so auch für D., fortlaufend Kindergeld. Mit Antrag vom 9.2.2021 beantragte D. die Auszahlung des Kindergeldes an sich selbst. Dem Antrag wurde entsprochen und das Kindergeld ab April 2021 an D. ausbezahlt. Hiergegen richtete sich der Einspruch der Klägerin. Sie war der Ansicht, D. erhalte im Rahmen seines dualen Studiums eine monatliche Vergütung sowie ein monatliches steuerfreies Stipendium. Des Weiteren verfüge er u.a. über ein zweckgebundenes Vermögen, das ihm für Ausbildungszwecke zur Verfügung gestellt worden sei.

Die Familienkasse wies den Einspruch als unbegründet ab. Das FG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Allerdings wurde die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Die Auszahlung des Kindergeldes an D. konnte nicht auf die unmittelbare Anwendung des § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG gestützt werden. Die Familienkasse war aber in analoger Anwendung des § 74 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 3 EStG berechtigt, das festgesetzte Kindergeld an D. auszuzahlen.

Im Streitfall lagen zwar keine Unterhaltsleistungen der Eltern vor. Es bestand jedoch auch keine Unterhaltspflicht der Eltern. Eine Abzweigung gem. 74 Abs. 1 Satz 3 EStG schied jedoch aus, weil diese Regelung dem Wortlaut nach nur dann eingreift, wenn eine Unterhaltspflicht deshalb nicht besteht, weil der an sich Unterhaltsverpflichtete nicht leistungsfähig ist. Eine Abzweigung an D. erfolgte aber zu Recht in analoger Anwendung des § 74 EStG.

Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG kann Kindergeld in angemessener Höhe u.a. an Kinder des Kindergeldberechtigten ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihnen gegenüber seinen gesetzlichen Unterhaltspflichten nicht nachkommt. Dieser Tatbestand setzt das Bestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht voraus. Der in § 74 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 3 EStG geregelte Sachverhalt, dass das Kindergeld an das Kind ausgezahlt werden kann, wenn die Eltern tatsächlich keinen Unterhalt zahlen und dies zu keiner Unterhaltspflichtverletzung führt, weil sie nicht leistungsfähig (§ 1603 BGB) sind, ist dem Sachverhalt, dass die Eltern deshalb ihre Unterhaltspflicht nicht verletzen, weil sie bereits dem Grunde nach nicht zur Leistung von Unterhalt verpflichtet sind, so ähnlich, dass eine analoge Gesetzesanwendung gerechtfertigt ist (BFH-Urt. v. 16.4.2002 - VIII R 50/01).

Eine Abzweigung des Kindergeldes an das Kind erfolgt nach Auffassung des Senats auch dann zu Recht analog § 74 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 3 EStG, wenn der Kindergeldberechtigte keinen Unterhalt leistet, weil er dazu mangels Bedürftigkeit des Kindes zivilrechtlich nicht verpflichtet ist (so auch Sächsisches FG, Urt. v. 7.4.2004 - 5 K 2761/02). Der Senat erkennt aus den im Urteil des BFH vom 16.4.2002 (VIII R 50/01) dargestellten Gründen in der Regelung des § 74 EStG für den streitgegenständlichen Fall eine planwidrige Gesetzeslücke. Weil die Frage, ob eine Abzweigung bei fehlender Bedürftigkeit des Kindes in Betracht kommt, höchstrichterlich noch nicht entschieden ist und die Frage auch in der Finanzgerichtsbarkeit uneinheitlich beantwortet wird, wurde die Revision zugelassen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 23.05.2024 14:07
Quelle: Bayern.Recht

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